Ursula Staudinger beim Kongress für Hochschulinnovation 2021

Am 14. Juni 2021 fand der Kongress für Hochschulinnovation 2021 im Amerikahaus München mit hochrangigen Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft statt. Gemeinsam diskutierten sie über Kernelemente eines zukunftsfähigen Hochschulsystems und wollten damit Impulse für politische Weichenstellungen setzen.

Podiumsdiskussion beim Kongress für Hochschulinnovation 2021 © Andreas Gebert

Die Veranstaltung – mit Publikum vor Ort – wurde als „hybride Zukunftswerkstatt“ vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, der Heinz Nixdorf Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausgerichtet. Rund 600 Interessierte nahmen daran teil. Gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Frankenberg, Dr. Muriel Helbig und Prof. Dr. Rolf Tarrach Siegel nahm Prof. Dr. Ursula Staudinger an der Podiumsdiskussion zur internen Hochschulsteuerung teil. Der Vergleich von Governance-Modellen und die Machtfrage standen dabei im Mittelpunkt.

Mehr Partizipation für Perspektivenvielfalt

„Die Stärke der Universität in ihrer Autonomie liegt in der Freiheit von Lehre und Forschung – sowohl in ihrer kleinsten Einheit als auch im Aggregat als Institution“, sagte Staudinger. Durch partizipative Prozesse und eine Veränderung der Universitätskultur an der TU Dresden wolle sie dazu beitragen, die Keimzellen der Autonomie – die Professorinnen und Professoren – zu Agenten für die Zukunft der gesamten Institution zu machen. „Es klingt nicht nur schwierig, es ist schwierig“, berichtete sie. Es bedeute, in einem stetigen Gespräch mit verschiedenen Status-Gruppen und Hierarchie-Ebenen zu bleiben. Ziel sei dabei, die daraus entstehende Perspektivenvielfalt als Stärke und Innovationsmotor zu nutzen.

Ursula Staudinger beim Kongress für Hochschulinnovation 2021 © Andreas Gebert

Ein wichtiger Aspekt sei auch eine existierende Fehlerkultur und die damit einhergehende Risikobereitschaft. „Wir haben nicht gelernt, dass einen Fehler zu machen oder zu versagen der Beginn des Erfolges ist“, betonte sie. Dies müsse man noch viel stärker in die Institution hineintragen. Denn in Deutschland und besonders an den Hochschulen sei man nach wie vor eher risikoscheu.

Business Intelligence für Weiterentwicklung

„Wenn wir in unserer Strategie- und Steuerungsfähigkeit besser werden wollen, müssen wir uns eine systematische Business Intelligence erarbeiten“, sagte Staudinger weiter. Nur wenn man dauerhaft und zu jedem Zeitpunkt Zugriff auf die wichtigsten Informationen habe, sei eine Weiterentwicklung der Universitäten möglich. Dabei gehe es nicht nur um klassische Leistungsparameter wie sie an den Exzellenz-Universitäten abgefragt werden, sondern um individuelle Steuerungsgrößen, an denen man sich messen lassen möchte.

„Hochschulbildung und -forschung als öffentliches Gut zu definieren und zu verankern, sollte uns sehr viel Wert sein“, betonte Staudinger. Es sei wichtig, dass Universitäten von den öffentlichen Förderern eine Planungssicherheit bekommen. Allerdings könne es dabei nicht um eine Ausfinanzierung gehen. „Ich glaube, es entsteht auch eine Innovationskraft, wenn wir uns weitere Finanzierungsquellen als Universität erschließen.“ Neben Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen gehöre auch eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Gesellschaft dazu, um neue Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen und gleichzeitig die Rolle der Universität selbst als gesellschaftliche Akteurin besser wahrzunehmen.

Das Themenspektrum des Kongresses für Hochschulinnovation 2021 war breit. Fachleute aus mehreren Bundesländern sowie der Bundesregierung stellten sich zahlreicher Fragen während der Podiumsdiskussionen am Vormittag und parallel stattfindenden Foren am Nachmittag. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl im Herbst ging es wiederholt darum, welche politischen Rahmenbedingungen benötigt werden, damit Hochschulen auch künftig Orte für Innovationen sein können. Die Ergebnisse des Kongresses werden im Herbst 2021 zusammenfassend veröffentlicht.

#HTF2021: Innovationskraft stärken

Deutschland ist ein innovationsstarkes Land. Doch insbesondere bei der Digitalisierung oder bei Gründungen in forschungs- und wissensintensiven Bereichen gibt es dringenden Handlungsbedarf. Unter dem Motto zusammen.wachsen.gestalten fand am 21. April 2021 die Online-Ergebniskonferenz des Hightech-Forums 2021 statt, dessen Empfehlungen an Bundesforschungsministerin Anja Karliczek übergeben wurden.

Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft stellten Ideen und Vorschläge für eine künftige Innovationsstrategie der Bundesregierung vor und diskutierten über mehrere Schwerpunktthemen. Dabei ging es um 1. Resilienz, Souveränität und Offenheit, 2. Stärkung der innovativen Kräfte in der Gesellschaft sowie 3. Lokale Initiativen und Ko-Kreation. Gemeinsam mit Dr. Tina Ruseva, Gründerin und Geschäftsführerin von Mentessa, Adriana Groh, Direktorin vom Prototype Fund, und Johannes Oswald, Geschäftsführer von Oswald Elektromotoren, nahm Ursula M. Staudinger an der virtuellen Podiumsdiskussion über die Stärkung innovativer Kräfte teil.

Lösungen für globale Herausforderungen

Anhand einiger Beispiele der TU-Dresden, die sich als global bezogene und regional verankerte Spitzenuniversität für das 21. Jahrhundert versteht, erläuterte Staudinger, wie Hochschulen das deutsche Innovationssystems stärken können. „Durch exzellente und breit angelegte Interdisziplinarität auf Augenhöhe können wir Lösungen für die sehr komplexen Problemlagen unserer Zeit mit erarbeiten“, sagte sie. Dabei erwähnte sie globale Herausforderungen wie die Klimakrise, die digitale Transformation und Souveränität sowie den demografischen Wandel.

Podiumsdiskussion zum Schwerpunktthema 2 der Ergebniskonferenz. Bildnachweis: BILDSCHÖN / Boris Trenkel

Bereits heute findet laut Staudinger ein wegweisender Innovationsaustausch zwischen der Universität und zahlreichen Unternehmen statt. So gäbe es rund 20 Ausgründungen pro Jahr, 15 weitere Unternehmen nutzten jährlich Patente der Universität, um Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, und etwa 2.000 Unternehmen seien an verschiedenen Forschungsprojekten der TUD beteiligt. „Wir machen also nicht nur Spin-off, sondern auch Spin-on“, berichtete Staudinger.

Lebensbegleitendes Studieren

Darüber hinaus sei es entscheidend, die erste kritische und risikobehaftete Phase bei Gründungen gezielter zu fördern. Um innovative Forschungsergebnisse noch besser in die unternehmerische Umsetzung zu bringen, werde die TU-Dresden deshalb einen eigenen Investitionsfond auflegen.

„Für uns ist sehr wichtig, die technische Innovation mit der sozialen Innovation eng zu verknüpfen“, sagte Staudinger weiter. Es gehe darum, neue Formen der Arbeitsorganisation und der Personalentwicklung zu finden, um Innovationen zu ermöglichen und zu befördern – mit und für den Menschen.

Ein weiterer Aspekt der sozialen Innovation sei das lebensbegleitende Studieren. „Wir leben in einer Gesellschaft des längeren Lebens“, betonte Staudinger. „Es ist jetzt an uns, die gewonnenen Jahre auch in ihrer Produktiv- und Innovationskraft zu nutzen.“ Nach einer ersten Bildungsphase am Anfang des Lebens müsse es auch später möglich sein, immer wieder an die Universität zurückzukehren oder zum ersten Mal hinzugehen. Es brauche neue Inhalte und neue Lernformate an Universitäten, damit Menschen beispielsweise auch in ihren 40ern oder 50ern noch die Berufsausrichtung verändern könnten.

Der Livestream der Ergebniskonferenz (Schwerpunktthema 2 ab 1:41:00):

Das „Best of“-Video der Ergebniskonferenz:

Ursula Staudinger beim Forschungsgipfel 2018

Auf dem Forschungsgipfel 2018 in Berlin kamen rund 400 Entscheider, Experten, Vordenker und Newcomer aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusammen, um darüber zu beraten, wie das deutsche Forschungs- und Innovationssystem weiterentwickelt werden kann. Wie schon in den Jahren zuvor galt es, gemeinsam Zukunftsperspektiven zu entwickeln und – im Hinblick auf die kommenden Legislaturperioden und das nächste Forschungsrahmenprogramm der EU – Orientierung für strategische Entscheidungen zu geben.

Ursula Staudinger beim Forschungsgipfel 2018, Bildnachweis: David Ausserhofer/Stifterverband

Ursula Staudinger nahm an der Diskussionsrunde „Perspektiven für die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik“ gemeinsam mit sieben hochrangigen Repräsentanten von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft teil. Sie sagte, dass die Innovationsfähigkeit in einer Gesellschaft des längeren Lebens viele Stolpersteine zu überwinden habe. So sei beispielsweise das Vorurteil, dass Innovationsfähigkeit an ein bestimmtes kalendarisches Alter geknüpft wäre, sehr weit verbreitet. Allerdings zeige die Forschung, dass Innovationen per se nicht mit dem Alter einhergehen, sondern mit bestimmten Anreizbedingungen und mit der Fähigkeit, Menschen jeden Alters durch Lernen an der Entwicklung teilhaben zu lassen.

Eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass die Investitionen, die Unternehmen in das Wissen und die Fähigkeiten ihrer MitarbeiterInnen tätigen, als Vermögen sichtbar würden – in ähnlicher Weise wie dies bei Investitionen in Maschinen und Gebäude der Fall sei. Dies würde es ermöglichen, die MitarbeiterInnen eines Unternehmens vom Kosten- zum Vermögensfaktor (einschließlich der zugehörigen Abschreibungsperioden) zu wandeln. Unternehmen hätten so einen klaren Anreiz, in ein kontinuierliches „Updating-System“ in der beruflichen Weiterbildung zu investieren.

„Wenn es uns in einer Gesellschaft des längeren Lebens nicht gelingt, Menschen immer wieder auch auf ihrem jeweiligen Qualifizierungsniveau weiterzuentwickeln, können sie nicht innovativ bleiben“, sagte Staudinger. Die Forschung zeige auch, dass die spannendsten und nachhaltigsten Innovationen dort entstünden, wo junge und ältere Arbeitnehmer in Entwicklungsteams zusammenarbeiten. „Nachhaltige und erfolgreiche Innovation entsteht da, wo neues Wissen und gewachsene Erfahrungen und Fähigkeiten zusammengeführt und integriert werden“, betonte Staudinger.

Eine der großen Stärken Deutschlands sei das Ausbildungssystem in seiner ganzen Breite. „Meine Hoffnung ist, dass wir in Deutschland der Erwachsenenbildung – sei sie berufsbegleitend und auch außerhalb des Berufs – genauso viel Aufmerksamkeit und Investition widmen, wie wir das so fantastisch gemacht haben für die ersten 20 Jahre der Ausbildung am Anfang unseres Lebens“, sagte Staudinger. In der Gesellschaft des längeren Lebens sei eine Verantwortung entstanden, sicher zu stellen, dass wir auf gleicher Qualitätsebene weiterlernen können. Dies müsse der Normalfall und nicht die Ausnahme sein. „Sonst verlieren mehr und mehr Menschen den Anschluss – und unser Land seine Innovationskraft.“

Hier finden Sie den Mitschnitt zur Diskussionsrunde (Video-Clip 4, Forschungsgipfel 2018 – Diskussion Inner Circle 1):

An der Diskussion nahmen teil:
Thomas Bachem, Gründer und Kanzler der CODE University of Applied Sciences sowie Gründer und stellv. Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V., Berlin
Prof. Dr. Heinz Bude, Lehrstuhlinhaber für Makrosoziologie an der Universität Kassel
Marc Elsberg, Science-Thriller-Autor (Blackout, Zero, Helix), München/Wien
Stefan Groschupf, Gründer und CEO der SalesHero Inc. sowie Gründer der Datameer Inc., San Francisco, USA
Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, Berlin
Dr. Joachim Kreuzburg, Vorsitzender des Vorstandes der Sartorius AG, Göttingen
Prof. Dr. Ursula Staudinger, Psychologin und Alternsforscherin am Columbia Aging Center, Columbia University, NY, USA
Dr. Shermin Voshmgir, Gründerin des BlockchainHubs, Berlin, und Direktorin des Foschungsinstitutes für Kryptoökonomie an der Universität Wien

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